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Ein Festival elektronischer TanzMusik, erste Nacht: Gegen Mitternacht Konsum von etwas über 90 Milligramm MDMA. Ich erwarte nicht viel – bin die vergangenen Jahre mehrere Male mit MDMA in Kontakt gekommen, ohne eine Wirkung zu spüren. In Aussicht gestellt wurde mir an Wirkungen so Einiges, durch Berichte Anderer über TanzWut und BerührungsDrang bis hin zu spirituellen Erfahrungen.

(Ich selbst bin eine harte Nuss, was solche Dinge betrifft. Ich finde es z.B. bis dahin schwierig, die Freude anderer Menschen an TanzMusik und damit verbundenen KörperBewegungen nachzuvollziehen. Ich kann mitwippen, und manchmal auch ambitioniertere Muster mit meinen Gliedern kreiseln – aber kaum aus einem inneren Drang zur Bewegung. Wenn ich mich zu Musik bewege, dann, um mich warm oder fit zu halten, oder weil ich glaube, dass es der gegenwärtigen Situation sozial angemessen, mir irgendwie vorteilhaft sein könnte – und so eine Grundlage ergibt sich nicht oft. Manchmal reicht Langeweile, sonst partout nichts Interessantes in der gegenwärtigen Situation tun zu können, dann versuche ich, etwas mitzutanzen, aber große Leidenschaft kam mir dabei noch nie auf. Kurz gesagt: Zum Tanzen muss ich mich, soweit ich zurückdenken kann, eher zwingen. Und meine vorhergehenden Berührungen mit MDMA haben zu keiner Lockerung in dieser Hinsicht beigetragen.)

Die erste Stunde spüre ich keine Wirkung. Wir verharren an einem Haufen mehr oder weniger tanzender Menschen, die von Techno-artiger Musik bespielt werden. Ich habe die Wochen zuvor ein MusikTheorie-Buch über Techno gelesen und erfreue mich daran, die dort beschriebenen Strukturen in das, was hier dargeboten wird, hinein zu interpretieren. Ich bewundere das zur Musik synchronisierte Spiel aus Lichtern und Farben. Es ist ein bisschen kalt, darum versuche ich, mich warm zu wippen; davon abgesehen ist mein Zugang zum Dargebotenen beobachtend, analytisch.

Gelegentlich schließe ich die Augen zwecks besserer Konzentration auf die Musik. Als ich zum wiederholten Male hiervon die Augen öffne, und gerade eingebunden in ein Gespräch mit Freunden, kommt mir mein Blick plötzlich etwas verdunkelt oder eingeschränkt vor, und meine körperliche Koordination leicht behindert. Ich spüre einen Mangel an Kontrolle über meine Gliedmaßen, wie ich ihn vage aus den Räuschen der Zeit zu erinnern glaube, als ich noch Alkohol trank. Ich sage, dass ich jetzt vielleicht eine Wirkung zu spüren beginne, mal schauen.

Ich spüre Kribbeln in Teilen meines Körpers, vor allem den Händen. Statt zu wippen, wankt und schlingert und schlängelt mein Körper jetzt mehr und mehr zur Musik. Und das, als geschehe es außerhalb meiner Kontrolle, als geschehe es wie von selbst. Als wäre ich eine Glocke, die nach links und rechts geläutet wird. Ich kann die Bewegungen nur in groben Zügen lenken, als wäre mein Körper ein Vehikel mit eigener Dynamik, die ich per Lenkrad etwas anleiten kann, ohne sie präzise zu steuern.

Ich kann meinen Körper einfach machen lassen, ohne drüber nachzudenken, was er tun soll. Er tritt von selbst in ein Verhältnis zur Musik, die ich wiederum gar nicht mehr bewusst in ihren Strukturen wahrnehme, die sich plötzlich meinem analytischen Zugang (der ja bis eben mein einziger zu ihr war) entzieht. Meine Bewegungen werden immer größer und schwungvoller, völlig frei von der mir üblichen Sorge um bzw. Frage nach ihrer Korrektheit oder Bedeutung, oder ihren Kosten in Form von KraftAufwand und Machbarkeit. Als würde mein Körper von anderen Kräften als meinen eigenen getragen. Alle in vorangegangenen Stunden angesammelte körperliche Mühsal, z.B. ein leichtes FußWeh vom vielen Stehen, ist verschwunden.

Ich springe herum, drehe mich wild (auch wiederholt um die eigene Achse, und genieße das dabei auftretende SchwindelGefühl), durchmesse lebhaft die Umgebung, und scheue mich nicht, mich dabei anderen Tanzenden ein bisschen anzunähern. Ich tausche gelegentlich mit wildfremden Menschen ein Lächeln aus. Sie sprechen mich an und sagen Sachen wie "du siehst aus wie ein Prinz". Ein Pärchen bietet mir bunte Kugeln an, "die sind Liebe". Ich lehne erst dankend ab, weil ich denke, das seien weitere Drogen, nach etwas NachFrage stellt sich heraus, es ist KauGummi. Ich verstehe dessen Nutzen zuerst nicht, dann fällt mir mein offenbar MDMA-bedingter wachsender Drang zum ZähneKnirschen auf.

Wenn ich die Jahre zuvor tanzte, dann tat ich das planvoll – stets grübelnd, was angemessene Bewegungen seien, was passe zu meiner Analyse der gehörten Musik. Was mir gegenwärtig passiert, könnte kaum ferner davon sein. Die Bewegungen geschehen mir mühelos und automatisch und ohne mein Nachdenken, und diese Erfahrung euphorisiert mich. Ich denke mir, vielleicht ist Tanzen für andere Leute ja immer so.

Erst nach Stunden des DurchTanzens lässt der Schwung in mir nach. Ich kann noch etwas Schwung fangen bzw. festhalten, indem ich meine mitgebrachte PlasteWasserFlasche schwinge, die mich dann wie ein Pendel mitzieht. Meine Freunde verabschieden sich ins ZeltDorf außerhalb des Festival-Geländes, ich spaziere noch etwas zwischen den verschiedenen TanzFlächen umher und schwinge da und dort mit. Erst dann gehe ich zum Zelt. Nach ein zwei Stunden MorgenSchlaf spaziere ich auf dem Gelände rum und spüre immer noch etwas Schwung bzw. Drang, mit meinen Beinen oder Armen oder Händen zu schlängeln, bin aber inzwischen ziemlich körperlich erschöpft.

Ich schlafe weiter. Ich gehe den Tag ruhig und erholsam an, denn ich erwarte noch einige körperliche Verausgabung am FolgeAbend.

In den starten wir kurz nach 20 Uhr als Vierer-Gruppe vom ZeltPlatz vor dem Festival: Bei A und mir in dem Moment Konsum von 1P-LSD (ich 200 Mikrogramm, A halb so viel), B und C haben Anderes vor.

Ich würde gern die EingangsKontrolle zum Festival passiert haben, bevor der Trip richtig losgeht. Aber unser Aufbruch zieht sich mit der GruppenDynamik, und ich merke, dass ich zunehmend nervös werde, und eine irrationale Sorge bezüglich des Passierens der EingangsKontrolle unter TripEinfluss entwickle. Als wir losgehen, presche ich voran, und passiere die EingangsKontrolle vor allen Anderen. Die bleiben noch eine Weile aus sicher validen Gründen zurück, ich verharre ungeduldig im EingangsBereich. Soll ich mich ohne sie in den bunten Zirkus der Veranstaltung stürzen, auf die Gefahr hin, sie dann nicht wiederzufinden? Es zieht mich in diesen bunten Zirkus. Aber andererseits trau ich mich nicht, allein loszutrippen. Ich weise dieser Grenze zwischen Festival-Gelände und dem Camping-Platz, die zwischen mir und den Anderen gerade besteht, eine große Bedeutung zu.

Als die Anderen reingekommen sind, beginnen wir als Vierer-Gruppe die neuerliche Erkundung des Festival-Geländes. Ich habe schlechtes Gewissen, Stress gemacht zu haben mit meinem Voran-Preschen, und äußere das, bekomme aber versichert, das sei unproblematisch gewesen. Meine Wahrnehmung ist inzwischen spürbar benommen. Die Geräusch- bzw. MusikKulisse des Festivals um mich herum klingt dumpf. Wir stehen nicht unweit eines TanzMusikOrts, und ich merke, dass meine Wahrnehmung die Musik gegenüber der Konversation meiner Gruppe betont, hervorhebt, die Konversation zur Seite drückt. Gleichzeitig fühlen sich meine Augen weit aufgerissen an.

Wir beschließen den Besuch eines ruhigen HängeMatten-WaldPlätzchens an einem See am Rand des Festival-Hügels, lassen uns dort nieder, und plaudern eine Weile. Ich schaue viel in (und betatsche) die BaumRinden und BaumWipfel, auf die der LichtEinfall bemerkenswert, allerdings nicht unnatürlich zu spielen scheint. Es sieht alles faszinierend aus, aber wirkt noch nicht groß verfremdet. Wenn ich die Augen schließe, nehme ich (vielleicht visuell) die Bildung von Formen wahr. Wir beschließen, zurück auf den Festival-Hügel zu steigen. Als wir über ihn gehen, spüre ich einen Drang, weiter die Augen zu schließen, und tue das einige Schritte lang immer wieder. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich kleine Feuerwerke oder Explosionen.

Wir bewegen uns auf einen Teil des Hügels, der zur einen Seite von einer Reihe Toiletten begrenzt wird, und in einiger Ferne links davon ist ein TanzMusikOrt, und in einiger Ferne rechts davon, etwas näher allerdings, ein anderer. Ich verbleibe mit A ungefähr in der Mitte zwischen diesen verschiedenen Punkten, während B und C die Toiletten aufsuchen. Ich lege mich ins Gras, schließe die Augen, und strecke meine Arme aus, ertaste den Boden. Die Formen in meinen geschlossenen Augen werden komplexer, entwickeln sich bedeutungsreich, vielleicht auch zur Musik um mich rum: flimmernde Windungen, cthulhoide Tentakel, die Klänge und Gedanken und Gespräche nachvollziehen, und ich verschmelze ein bisschen mit dem Boden. Ich verliere das ZeitGefühl. Irgendwann öffne ich die Augen wieder, und meine Unklarheit über die Dauer des Moments wird verstärkt durch A, wo selber Verwirrung darüber äußert, wie lange wir hier jetzt schon auf B und C warten würden, ob die schon woandershin weg seien. Aber dann: Ach nein, da hinten, da ist C, und dann auch B.

Als wir wieder zu viert beisammen sind, nähern wir uns gemeinsam der TanzFläche rechts der Toiletten: Dieser TanzBereich kommt mir vor wie ein magischer Ort, ein Anziehungs-Pol großer Macht, der einen Haufen Menschen durch repititive Klänge an sich bannt, die wie hypnotisiert wippen und schwingen – und nun lassen auch wir uns davon einfangen. Ich wippe bald mit, stehe am Rand der MenschenTraube, und schließe meine Augen. Ich erinnere nur noch bruchstückhaft, was ich hier wahrnehme. Es ist von großer Intensität und innerer Dauer. Die Klänge werden mein ganzer Erlebnis-Raum, sie bauen um mich herum Umwelten, Maschinen, Filme. Der Beat, die Geräusche, der Hall, sie simulieren zum Beispiel einen Tunnel, durch den ein Zug fährt, oder mehrere Züge, und ich stehe inmitten dieses Tunnels, zwischen den Zügen, oder bin in einem der Züge.

Ich weiß noch, dass ich hier bei einem Haufen tanzender Menschen bin und wohl mittanze, aber vielleicht wippe ich nur seit einigen Minuten harmlos am Rand, vielleicht auch seit vielen Stunden, vielleicht tanze ich exzessiv als Zentrum des Pulks, all diese Szenarien scheinen mir gleichermaßen möglich; als ich zur Prüfung mal die Augen öffne, sehe ich jemanden tanzen, der wohl ich ist, aber das Bewusstsein, das diesen Jemand tanzend wahrnimmt, ist von diesem TanzKörper völlig entkoppelt. Ich denke mir, das kann schon sein, dass man in so einem Zustand vergisst, auf seinen Körper acht zu geben, den eigenen WasserHaushalt am Laufen zu halten, tagelang in Trance durchtanzt, usw.

Statt mich beim Tanzen zu beobachten, schließe ich lieber weiter meine Augen. Die Klänge verwandeln sich in eine Vielfalt an Bewegungen, Entwicklungen, Abläufen, Ströme, Schiffe, die an einer Figur vorbeiziehen, die diese begafft, nachäfft, vorbeiwinkt, und die ich ist. Die aus den Klängen kommenden Formen sind absolut, es gibt keine physische Wirklichkeit mehr neben ihnen, keine Gedanken, keine Erinnerungen, die Klänge werden mein ganzer Kosmos. Einmal zum Beispiel schraubt sich die Musik in einem wiederkehrenden Muster langsam in der TonHöhe hinauf, und daraus wird eine quasi-religiöse Erfahrung eines Immer-Höher, eines Hinauf-Schwebens in leuchtende, himmlische Höhen.

Als ich die Augen erneut öffne, ist es gerade mal Dämmerung (also kann nicht viel Zeit vergangen sein seit Beginn des Trips), und die Anderen aus meiner Gruppe stehen noch um mich herum und wippen. Die kurze Erdung in der äußeren Wirklichkeit durchs Öffnen der Augen gerät schnell wieder ins Wanken. Die Wolken am Himmel flimmern und wellen und zerteilen sich, wenn ich sie fokussiere. Die Dekorationen der TanzFläche, die Lampen, die Stäbe, die Quallen-artigen Party-Schirme ändern fortwährend ihre Bedeutung, werden zum Beispiel vorstellbar als viktorianische Alien-Maschinen der Manier H.G. Wells. Meine Muster-Erkennung macht aus den visuellen Reizen um mich herum mal BestandTeile eines HafenGeländes, mal einer Ost-Berliner Plattenbau-Siedlung.

Ich fokussiere einzelne Lichter, zum Beispiel ein sich drehendes, und an diesem bleibe ich hängen. Ich kann nicht mehr wegblicken, es schlägt mich ganz in seinen Bann, ich muss seinem Rhythmus folgen, fühle mich ihm hörig, würde alles tun, was es mir sagt. Bis ein anderer Tanzender durch seine Bewegung mir den Blick auf dieses Licht verstellt und ich mir denke, vielleicht besser so, dass dieser Bann gebrochen wurde. Ich habe das Gefühl, dass ich an einer kollektiven Trance des Menschen-Haufens um mich herum teilhabe. Wir alle hier sind Hörige desselben Ungeheuers, Marionetten desselben Etwas, Tentakel irgendeines Cthulhu-Monsters.

Wir stehen immer noch zu viert am Rand des Tanz-Haufens. Es gibt etwas Gruppen-Dynamik unter den anderen drei, die ich awkward finde. Ich überlege mir, ich könnte mir einen Kopf darüber machen und mich emotional da hinein investieren, aber wozu, ich kann mich doch weiter dem Klang-Rausch widmen. Irgendwann beschließen wir, und ich bin ganz dabei, uns von diesem Ort zu entfernen. Irgendwohin, wo es ruhiger ist, weniger intensiv. Wir bewegungen uns zum Tanz-Ort auf der anderen Seite der vorhin besuchten Toiletten. Der dortige Aufbau weckt in mir Assoziationen zu einer Western-Stadt, einem Saloon. Vom Boden her rede ich zu den Anderen: "Ja, bei mir hier drinnen, ist alles gut, bei euch da draußen auch?" Inzwischen ist es dunkel.

Wir sind zu viert etwas verpeilt, jeder trippt auf irgendwas, nicht alle auf der gleichen Substanz. Wir versuchen, unsere weiteren Pläne zu koordinieren, zum Beispiel die Besorgung von WasserNachschub, und irren dabei herum. Irgendwann erkläre ich mich einigermaßen Koordinations-fähig, bzw. dass mein erster Peak grad vorüber sei. Dieweil äußert A mehr Verwirrung, und erst jetzt wird mir klar, dass A ebenfalls einen einigermaßen ordentlichen LSD-Trip erleben dürfte, und dazu noch A's ersten richtigen. Plötzlich fühle ich mich gegenüber A TripSitting-verantwortlich. Ich interpretiere in Äußerungen von A Andeutungen leichter Trip-Überfordertheit und TripSitting-Bedarf, und versuche in einer anhaltenden Konversation, A Halt und ein intellektuelles Framework für den Trip zu geben, gerate darüber aber selber in einen vermutlich übertriebenen und kontraproduktiven Laber-Flash.

Wir verharren als Vierer-Gruppe längere Zeit zwischen den beiden TanzMusik-Orten und der Toiletten-Reihe (also ungefähr dort wo ich mich zuvor ins Gras legte), wobei B und C sich vermehrt in ihren eigenen gemeinsamen Trip zurückzuziehen scheinen, und ich mich für die Betreuung von A verantwortlich fühle, was mich von Rausch-Angeboten meines eigenen Trips ablenkt. Ich sehe und höre aus der Ferne den Rave, von dem wir uns vorhin zurückzogen, zu dem ich so stark Rausch-Erfahrungen machte, und fühle einen starken Zug von dort, dorthin zurückzukehren. Aber A will lieber an Ort und Stelle bleiben, und ich denke mir, ich kann ja A nicht allein lassen, und will auch selber nicht mich allein in das vorhin als so krass empfundene Setting stürzen. Inzwischen spüre ich deutlich körperliche Mühsal zurückzukehren, es ist kühl, und meine Gelenke sind überanstrengt, meine Füße tun mir weh; es wäre unvernünftig, mich jetzt in den Rave zu werfen. Ich verbringe viel Zeit damit, mit A um B und C zu schleichen, mich auf den Boden zu setzen, und A mit meinen persönlichen LSD-Philosophien vollzulabern.

Ich bin einigermaßen beeindruckt von Ort und Stimmung des Festivals, die dunkle Nacht mit den vielen bunten Lichtern zu allen Seiten, bzw. den LichtStrahlen, die zu allen Seiten von verschiedenen Bühnen hinter dem Hügel empor strahlen, dazu den bunt leuchtend dekorierten Leuten, die aus der NachtSchwärze hervorkommend an uns vorbeilaufen, und dazu in der Ferne das horizontfüllende rote Blinken (im Takt der repititiven KlangTeppiche der Veranstaltung) der WindRäder der ländlichen Umgebung. Alles wirkt ein bisschen unheimlich, verstrahlt, apokalyptisch, auf reizvolle Weise. Ich habe das Gefühl, ich kenne solche Settings gut, aber wenn ich drüber nachgrüble, fällt mir nicht ein, woher.

Irgendwann will ich wirklich den Ort wechseln. Verabschiede mich mit A im Schlepptau von B und C, und beginne Erkundung des RestGeländes. In der Ferne sehen wir BlauLichter und rätseln, ob die zur Lichter-Show des Festivals dazu gehören oder Polizei seien. Ich denke, es wird schon nichts Ernstes sein, so lange überall die Musik noch weiterläuft. Als wir am Eingang des Festival-Geländes entlang laufen, kommen uns Uniformen und Autos entgegen, die den Verdacht erhärten, dass hier tatsächlich irgendein Notarzt-Einsatz o.ä. stattfindet. (Später wird sich herausstellen, dass Leute am See vermisst und wohl in Form eines Rettungs-Einsatzes gesucht wurden, was die örtliche Polizei und Feuerwehr usw. heran mobilisierte. Die Verschwundenen sollen dann heil anderswo wiedergefunden worden sein.) Festival-Party und BlauLicht-Einsatz vermischen sich, das Gemisch wirkt etwas beunruhigend (die Stimmung erinnert mich an die Szene um die Do-Lung-Brücke aus Apocalypse Now), und schließlich wird sogar die Musik ausgemacht. Wir beschließen, B und C nochmal zu suchen, um zu verifizieren, dass bei denen alles gut läuft; wir finden sie, alles ist gut, irgendwann gibt es erlösende Durchsagen (Leute wiedergefunden), und die Musik geht wieder an. Wir verabschieden uns erneut von B und C.

Ich lasse mich mit A in der Nähe einer anderen Techno-Bühne nieder, und wir verhandeln, nachdem auch A inzwischen deutlich übern ersten Trip-Berg sein sollte, uns aufzusplitten und separat das Festival zu erkunden. Ich halte meinen Trip für im Wesentlichen vorüber, und denke mir, er wurde etwas abgewürgt durch mein spontanes TripSitting-Vorhaben. Hoffe, noch ein paar letzte Zuckungen des Trips auffangen zu können, und kehre zum magischen Rave-Ort von vorhin zurück.

Dort verliere ich mich längst nicht mehr so intensiv in der Musik wie zuvor. Aber bei geschlossenen Augen bin ich trotzdem schwer beeindruckt von den Geräuschen. Dieses derbe Dröhnen. Es schraubt sich direkt in meine GehirnWindungen. Ich habe noch nie solche Klänge gehört, solche Frequenzen, solche Bässe, die rühren direkt in mein NervenSystem. Sie wären unmöglich in meinen KopfHörern o.ä. zu reproduzieren. Das ist keine Musik, sondern akustische HirnChirurgie. Es ertönen irgendwelche Vocals, die durch Filter in einen Klang gebracht werden, der, so denke ich mir, so klingen muss wie übernatürliche Stimmen, die zu einem sprechen, von Dämonen oder Göttern, oder die BefehlsStimmen aus Julian Jaynes' Bicameral Mind.

Ich begebe mich irgendwann zu einer anderen Bühne, bzw. genauer gesagt lege ich mich in die Nähe eines WaffelStandes gegenüber dieser Bühne. Dort starre ich lange auf ein Stück Holz und sehe in dessen Linien kleine augenartige Formen sich entwickeln. Dazu höre ich vom WaffelStand Stimmen, die, vielleicht halluziniere ich das, die Techno-Musik von gegenüber mit einer GesangsSpur zu ergänzen scheinen, repititiv singen "Waffeln, Waffeln, Waffeln-Waffeln-Waffeln", oder "lecker, lecker, lecker-lecker-lecker". Ich finde das sehr lustig und werde das als Jingle noch für Wochen darauf im Ohr behalten.

Bald setzt MorgenGrauen ein. Ich bin körperlich erschöpft und halte meinen Trip für aufgebraucht. Vielleicht sollte ich schlafen gehen. Ich begegne den Anderen nicht mehr (nur kurz im VorbeiGehen A, der meint, die Anderen seien in Ordnung). Meine Laune ist mittelmäßig, ich bin ein bisschen enttäuscht vom GesamtVerlauf des Trips, aus dem ich mich abrupt nach dem ersten Peak durch äußere Umstände herausgerissen fühle, und außerdem fühle ich mich einsam und ohne GesprächsPartner (außer A und B und C kenne ich hier ja niemanden, und wir sind ja jetzt alle für die Nacht getrennte Wege gegangen), mit denen ich bereden könnte, was mir an Gedanken aus der Seele drängt. Ich habe immer noch oder schon wieder besorgniserregenden ZähneKnirsch-Drang und spüre leichte KopfSchmerzen (die lassen schnell nach, nachdem ich die offenbar schon seit ein paar Stunden getragene StirnLampe absetze, deren Druck wohl für die Schmerzen hauptverantwortlich war) und ÜberForderung durch die AllGegenwart von drängender, lauter, dröhnender Musik, von der es kein EntFliehen gibt. Irgendwann finde ich eine gute Sitzbank auf dem Hügel mit obszön malerischem Panorama-Blick auf den Sonnen-Aufgang. Der Wald drumrum und die Wolken, da wabert und flimmert es durchaus noch ein bisschen halluzinogen. Alles ganz nett. Aber jetzt, nach SonnenAufgang, ist wirklich langsam Schluss, denke ich mir, Zeit für den Gang zurück ins Zelt, Zeit für eine letzte Runde übers Gelände.

Im Rahmen dieser letzten Runde nähere ich mich dem Ort, den ich vorhin für einen Saloon hielt. Auch da läuft immer noch gut Musik, wird gut getanzt. Ich gehe um die Tanz-Menge herum, schaue in das Zelt, das dortige LichterSpiel. Da überkommt mich plötzlich ein unwahrscheinliches Staunen. Meine Augen reißen wieder weit auf. Ich bin wieder hellwach, und fühle mich berauscht. Ich beginne wieder zu tanzen. Dann geschehen irgendwelche Nebel- und LichterSpiele, und mir fällt der Mund auf, gefühlt wie ein Zombie mit herunterhängendem Kiefer starre ich in LampenLichter, fühle mich wieder in Trance, hörig, ganz weg. Ich genieße diese Untertänigkeit, diese Hörigkeit, die ich plötzlich gegenüber was-auch-immer empfinde. Völlige Selbst-Aufgabe an diesen fremdartigen Reiz, was für ein gutes, großartiges Gefühl. Ich weiß nicht, wie lange ich da tanze, vielleicht gehe ich irgendwann fort und beschließe dann, zurückzukehren, um weiterzumachen. Meine körperliche Mühsal missachte ich wieder gänzlich, springe wild umher, drehe mich vielfach um die eigene Achse, in jeder Hand eine volle WasserPlasteFlasche als Pendel, um mich zu beschwingen. Der Trip ist wohl noch nicht vorbei.

Ich brauche eine Weile, ehe ich mich überwinde, ins Zelt zu gehen, um zu schlafen, bzw.: zu versuchen, zu schlafen. Eigentlich bin ich immer noch zu wach. Ein bisschen DämmerSchlaf gelingt mir im Zelt, wohl eine halbe bis volle Stunde. Ich liege danach weiter wach im Zelt, und denke mir, was für ein Trip, und niemand, mit dem ich ihn bereden könnte, das ist schon doof. Ich steigere mich in Sorge und Unzufriedenheit hinein; es ist zudem zunehmend unangenehm warm und stickig im Zelt, trotz weit aufgerissener beidseitiger Zugänge.

Und dann, plötzlich, überkommt mich ein Moment, der sich wie eine Erleuchtung anfühlt, und ich bin glücklich. Ich konzentriere mich auf die Musik vom Festival (die vor allem in Form der Bass-Wummse bis hierher hörbar ist). Ich stehe auf, verlasse das Zelt. Ich betrete den Weg, der zwischen den vielen Zelten zum Festival-Gelände führt, und schreite ihn ganz langsam in diese Richtung ab. Ich fühle mich von der fernen Musik gerufen, aus der jetzt deutlicher ein orientalisch anmutender Frauen-Gesang hervortritt. Ich schreite den Weg zwischen den Zelten größtenteils mit geschlossenen Augen ab, öffne sie nur gelegentlich kurz zur Sicherheit vor Hindernissen und Entgegen-Kommenden. Es ist ein bisschen wie vorhin am Anfang des Trips, als ich beim Gehen vermehrt meine Augen schließen wollte. Ich fühle mich wie hypnotisiert.

Als ich mich dem FestivalGelände-Eingang nähere, beginne ich, meine beiden WasserFlaschen zu schwingen, suche meinen Körper-Schwung. Schließlich gelange ich aufs Gelände und zu dem Ort, dessen Musik mich anzog. Ich stelle meine Flaschen nieder und beginne, mit geschlossenen Augen mich zu den Klängen zu bewegen. Psychedelisch fühle ich mich eigentlich nicht mehr, aber ich bin zutiefst beeindruckt von der Kraft der Musik, ihrer Macht über mich.

Mir ist dabei, als sei in mir eine Tür aufgestoßen, die vorher lange verschlossen war, zu einer Leidenschaft für Klang und Rhythmus und Melodie und Bewegung, für die ich Mitmenschen immer beneidete; ein Zugang, den ich so lange erfolglos suchte, und nun gefunden zu haben scheine, was mich zutiefst glücklich macht, so glücklich, dass ich mich den Tränen nahe fühle. Diese Musik ist so abstrakt und frei und pur, so semantisch leer und damit anschlussfähig gegenüber egal welcher kulturellen Vorbildung ich mitbringe. Sie gewährt Glückseligkeit und Erlösung unabhängig davon mit welchem Ballast ich ihr begegne, und das fühlt sich wie ein religiöses Versprechen an. Ich denke mir, das kommt sicher schon dem nahe, was Leute als "spirituelle" Erfahrungen beschreiben.

Ich tanze sicher eine Stunde an dieser Stelle; ich schaue gelegentlich auf die Uhr, denn ich muss mich bald mit meinen Mit-Reisenden zu den Plänen des neu angebrochenen Tages koordinieren. Kurz vor Mittag denke ich mir, es wird Zeit, und kehre zu den Zelten zurück. Auch den RestTag, und selbst nach der Rückkehr in die Stadt, habe ich immer noch einen großen Drang zur KörperBewegung, selbst ohne Musik, will vor allem meine Arme und Hände und Finger bewegen und mit dem Oberkörper wippen. Selbst am FolgeTag noch ein bisschen. Auch am FolgeTag spüre ich noch gelegentlich kleine kognitive Verwirrungen, leichte Anflüge von TunnelBlick und Staunen über die Eindrücke der Umwelt.