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Lektüre-Notizen: Starhawk / Miriam Simos, "Truth or Dare: Encounters with Power, Authority, and Mystery", 1987.
- "Chapter One: Truth or Dare":
- Das Mysterium ist grob das kosmische Flirren, das nicht gänzlich durch rationale Analyse eingefangen oder gezähmt werden kann, ein Kreislauf aus Kräften und Vorgängen (wie Tod und Geburt, erotische Passion usw.), Lebendigkeit, eine Beseeltheit oder Lebens-Wertigkeit aller Dinge (Animismus?), die Heiligkeit des Profanen, die unauflösliche Verbundenheit von allem mit allem. Kontrast Christentum: Das Heilige ist im Jenseits, Gott ist abgetrennt von der Welt. (Gibt aber auch Schöpfungs-heiligende Schulen im Christentum.)
- Drei Macht-Formen:
- Die Macht-über ("power-over") entfremdet die Welt in einfache mechanistische Ursache-Wirkung-Befehls-Relationen (Maschinen-Metapher), ein Räderwerk aus in sich toten Teilen, die nur nach externen Bewertungs-Systemen und Zwecken Wert haben. Diese Macht ist hierarchisch, regelbasiert, deterministisch. Sie wirkt durch Zwang ("force") und Furcht (und gerät gegenüber Furchtlosigkeit völlig aus dem Konzept). Ihre Autorität basiert auf Androhung von Gewalt und Ressourcen-Entzug, sie arbeitet mit Strafen und Belohnungen.
- Die Macht-von-Innen ("power-from-within") ist das Wirken des Mysteriums (s.o.) aus dem Einzelnen heraus, chaotisches und schöpferisches Element und Vitalität; die direkte Aktion, die Vorausplanbarkeit und Sprache sprengt; eine Verbundenheit mit Erde und Natur und Kosmos oder "Göttin" oder was auch immer man als Begriff/Bild für das wählt, was die Macht-über auszublenden oder zu unterwerfen versucht. Diese Macht lässt sich nicht horten oder isolieren.
- Die Macht-mit ("power-with") ist interpersonell, aber im Gegensatz zur Macht-über non-hierarchisch (kann aber leicht zur Macht-über werden); die Fähigkeit, Ideen und Pläne durch ihren Rückhall in einer Gruppe entstehen und wirken zu lassen; verlangt die Bereitschaft der Anderen, zuzuhören und sich zu öffnen, zu vertrauen (statt, wie bei der Macht-über, sich zu unterwerfen). Sie entsteht durch Respekt und verpufft, wenn dieser verspielt wird (wie eine jederzeit entziehbare Delegation bei Liquid Democracy).
- "Gossip" als (patriarchal?) diskreditierte Form der Macht-mit – der konstante Austausch über die Beziehungen im Umfeld dient der konstanten Kalibrierung der Respekt-Zuweisungen untereinander. In einer Beispiel-Geschichte erzählt A den Anderen von einem Fehlverhalten von B gegenüber A, und die Anderen gossippen dann gezielt in Hörweite von B darüber, sodass B die eigene Relation zu A anpasst, um die Relation zu den Anderen zu wahren. (Inwiefern ist das besser als Straf-Androhung im Macht-über-System?)
- Die Macht-über erkennt die anderen Macht-Formen als Bedrohung. Die europäischen Hexen standen für Mysteriums-nahe Macht-Praktiken und waren damit einer hierarchisierenden, mechanisierenden Ordnung ein Dorn im Auge. Die Macht-über kennzeichnet den westlich-kolonialistischen Apparat, und als hierarchisch gewährt sie dessen Opfern keine Chance; anders die Macht-von-Innen und die Macht-mit, deren Manifestationen dementsprechend hart bekämpft, diskreditiert und verboten wurden.
- Soweit Spiritualität verstanden wird als Bezug auf eine ferne, weltenthobene Heiligkeit (wie oft im Christentum; aber auch hier gibt es Ausnahmen, siehe katholische Befreiungstheologie in Südamerika), eignet sie sich gut zur Verquickung mit Unterdrückung und Macht-über; ist sie dagegen geerdet, heiligt Diesseits und Lebenskraft und Körperlichkeit usw., trägt sie revolutionäres Potential durch Macht-von-Innen und Macht-mit.
- Unter westlich-weißen Radikalen gibt es viel Widerstand und Misstrauen gegenüber Macht-von-innen und Macht-mit und der Verquickung von Spiritualität und Politik, ihr revolutionäres Potential wird als schwach bewertet, oder kontraproduktiv (Religion als Opium). Dabei geraten sie leicht ins Fahrwasser hegemonialer Diskreditierung eben alternativer Macht-Strukturen, die denen gefährlich werden könnten, worin die repressiven Kräfte alle Karten in ihrer Hand wissen.
- Furcht und Macht: alter Hexen-Spruch, "where there's fear, there's power", und umgekehrt.
- Magie ist die Beschwörung der Macht-von-Innen, das Schaffen der Bedingungen für ihren Ausbruch, womit sich dann andere etablierte Macht-Systeme herausfordern lassen. So eine Beschwörung kann symbolisch geschehen, durch wahrnehmungsverändernde Rituale, durch Sexualität, usw. usf. Es geht viel um Bewusstseins-Veränderung dabei, z.B. wird Wirklichkeit ja durch Sprache strukturiert, und man kann ebenso sprachlich eine Gegen-Strukturierung durchführen. Hexen, Schamanen usw. sind Menschen, die Magie praktizieren.
- Man kann auch (analog zur Befreiungstheologie) von Befreiungspsychologie sprechen. Eine solche Psychologie nutzt zum Beispiel eine andere Sprache als einen medizinischen Jargon, der seine Wissenschaftlichkeit durch mechanistische Maschinen-Begriffe für dadurch kaum zu greifende Komplexitäten behauptet und zugleich durch Laien-Verständnis-Verprellung Hierarchien setzt; statt dieser versteckt-manipulativen Metaphorik kann man auch eine explizit metaphorische poetische Sprache benutzen, die Fantasie und Gefühle evozieren soll.
- Eine Befreiungspsychologie orientiert sich an den Eigenwerten ("immanent value") und Möglichkeiten gerade der Armen und Schwachen, und zielt darauf ab, in ihnen eine Macht-von-Innen zu evozieren, statt eine normative Gesundheit herzustellen. Darum trägt sie ein Verhältnis zu den Mysterien bzw. geerdeten spirituellen Traditionen.
- So wie das Christentum auf die individuelle Erlösung setzt, setzt die klassische Psychologie auf die individuelle Heilung. Magie und Befreiungspsychologie dagegen setzen auf gemeinschaftliche Prozesse und Veränderungen. Dass ein Einzelner durch Willens- und Vorstellungskraft die Welt umschreiben könne, ist Konsum-New-Age-Humbug; erst durch kollektive Handlung (als Kombination vieler individueller Handlungen) lässt sich die Welt so ändern, dass sich auch das einzelne Bewusstsein in ihr ändert.
- Das magische Denken ignoriert nicht Diesseits, Greifbares, Materie, oder auch Politik; es ergänzt und verknüpft sie mit Ebenen, die durch reduktionistische Herangehensweisen ausgeblendet werden, z.B. Emotionalität, Erotik, vielleicht "Metapher" nennbare Muster oder Bilder, die aber zu mächtig sind, um sie bloßes Wortspiel zu nennen. Von der "Göttin" zu reden ist ein ausdrücklich antipatriarchal-feministisches Projekt, eine Namensgebung fürs Mysterium, die je Situation auch anders ausfallen könnte.
- Weitere New-Age-Kritik: die exotistische Suche nach Mysterien in den Bildern und Erzählungen ferner, fremder Glaubenssystemen als "kultureller Imperialismus"; warum in die Ferne schweifen, man kann das Mysterium im hiesigen Alltäglichen finden, Tod und Sex und Geburt usw. usf. als Kategorien-Sprengköpfe gibt es doch auch hier (und außerdem gibt es auch eine weiße, europäische Tradition, vielleicht hat sich die Autorin ja auch deshalb dem Wicca verschrieben?).
- "Chapter Two: The Dismembering of the World":
- Die tatsächliche Geschichte der Zivilisation ist keine der zunehmenden Befreiung des Menschen durch Unterwerfung der Natur, sondern eine des Verlusts von Freiheiten und Lebendigkeit (u.a. gerade durch solche Unterwerfung).
- Patriarchale GeschichtsSchreibung sieht einen anhaltenden Fortschritt der Menschheit durch Unterwerfung der Natur. Die Freudianer sehen in der Sublimierung unserer Instinktes ein notwendiges Opfer zur Errichtung der Zivilisation, die Jungianer nennen den Sieg des Patriarchats Voraussetzung für Herausbildung unserer modernen Individualität. Tatsächlich zeigt sich aber die Geschichte der Zivilisation als die eines Verlusts an Freiheit, die in den "mother-times" prä-patriarchal geherrscht haben mag.
- Referenzierte Autorinnen: Carol P. Christ, Marija Gimbutas, Merlin Stone, Gerda Lerner.
- Patriarchale VergangenheitsKonstruktion privilegiert schriftliche Quellen vor Archäologie und oral tradition. (Wittere mögliche Immunisierungs-Strategien gegen wissenschaftliche Kritik der eigenen Darstellung.)
- Çatal Hüyük deutet eine matrilineare (was nicht heißt: matriarchale), dezentrale Gesellschaft an; viele kleine Schreine statt einem Groß-Schrein; keine Anzeichen für Krieg oder Bluts-Opfer. Vieles impliziert stattdessen auf eine Verehrung von Lebens-Zyklen und Schöpfungs-Kraft hin.
- In der früh-sumerischen Zeit gab es viele Göttinnen von großer Bedeutung; Starhawk fokussiert auf Inanna (später: Ishtar), Göttin der Datteln und der kommunalen Lagerhäuser, oder im weiteren Sinn von Produktion und Sicherung von GrundVersorgungsMitteln. Sie steht in Hierogamie mit Duzumi, der je nach Kontext für diese oder jene NahrungsQuelle steht. In der religiösen Praxis repräsentierte eine Priesterin Inanna und führte eine Paarungs-Zeremonie mit einem Duzumi-Repräsentanten aus.
- Die überlieferten Texte zu Inannas Hierogamie drücken eine patriarchal unbelastete Erotik aus; Inanna schätzt ihre Vulva und lässt sie bewundern; Duzumis Penis wird nicht als Waffe sondern als Schwellkörper der Fruchtbarkeit betrachtet. Das Verhältnis beider ist emotional positiv und zelebriert biologische Kreisläufe, und würdigt auch die Trauer, den Duzumi stirbt und Inanna beweint ihn. In der Inanna-Tradition wählt sich die Priesterin ihren Partner.
- Im Rahmen neolithischer Revolution wachsen Städte in Mesopotamien, zentralisieren, vielleicht auch zum Schutz vor Angriffen; große Rolle spielen auch verbesserte Bewässerungs-Techniken. Die besorgen größere Differenzierung im Wert von Ländereien, wachsende Konkurrenz, MachtStrukturen, auch Hierarchisierung. Aus dezentralem Schrein-Netzwerk werden zentrale monumentale Tempel-Hügel, Vorläufer der Ziggurats. Politische Rolle von Frauen schrumpft. Temporär zur Verteidigung gewählte Kriegs-Führer geraten zu Königs-Dynastien.
- Mit dem Königtum ziehen die Menschen-Opfer (an den König bzw. seine vergöttlichte Rolle) ein, als drastische Demonstration der neuen Macht-Form (power-over). Ein Kult der Lebens-Kraft wird ersetzt durch einen, der sich über den Tod behauptet. Macht militarisiert, Kriegs-Führung, Zentralisierung, Macht-Maximierung strukturieren die Gesellschaft und die Psyche ihrer Mitglieder. Der Mythos, der von Natur-Vorgängen und ihren Kräften erzählt, weicht dem Epos, das den kriegerischen Helden besingt.
- Der Gilgamesch-Epos ist eine Fantasie der neuen Männlichkeit, er handelt vom erobernden und herrschenden Krieger-König, der das Volk ins diesem Unangenehme gängelt und drillt und die Werte von Ishtar verachtet und der Hierogamie mit ihr die Soldaten-Kameradschaft mit Enkidu vorzieht. Frauen sind in diesem Text schon nur noch Objekt von Männer-Macht, ihre Sexualität eine Gefahr für männliche Kraft (Enkidu wird zur Erschöpfung übervögelt, die Lehre vom Energie-Raub durch Samen-Raub).
- Mit Militarisierung und Zentralisierung ändert sich auch der Kampf. Die Scharmützel zwischen Stämmen waren Auseinandersetzungen zwischen spontanen Aktionen individueller Persönlichkeiten, Krieg jetzt ist straff organisierte Massen-Hierarchie. Die nötige Disziplin entsteht durch soldatische Kameradschafts-Psychologie, zu der u.a. gehört, dass man das Übelste mitmacht, um die Kameraden nicht im Stich zu lassen, und fürchtet, vor Anderen als Feigling zu gelten (Gilgamesch zieht genau damit einen zögernden Enkidu auf).
- Das patriarchale System wirkt über konstante Wert-Urteile, ob man sich in seine Geschlechts-Rolle korrekt einfüge, über konstante Verunsicherung etwa des Soldaten, dass er angemessen männlich (tapfer, brutal, gehorsam) handele. Unerwünschte Eigenschaften werden als weiblich diskreditiert, Verachtung des Weiblichen wird zur Kriegs-Ideologie, mündet in Vergewaltigung der Frauen des Feindes und Abwertung der heimischen Frauen. Die Kriegs-Gesellschaft zerstört jede Matrifokalität.
- Geheiligte Erotik, Sexualität als Kult der Lebens-Bejahung und Lebens-Erneuerung weicht einer hierarchisierten Sexualität, in der Unterwerfung, Eroberung von Frauen durch Männer bewiesen wird. Auch die mit der Königs-Dynastie sich durchsetzende Patrilinearität bedeutet: Weibliche Sexualität wird gefährlich, muss dämonisiert und kontrolliert werden. Aus der Fruchtbarkeits- und Versorgungs-Göttin Inanna wird Ishtar, Göttin von Liebe und Krieg, und vielleicht bedeutet das deren nun unausweichliche Verquickung.
- Mesopotamischer Schöpfungs-Mythos Enuma Elisch: Die göttliche Mutter Tiamat (wie solche Figuren damals traditionell mit Schlangen assoziiert) wird dämonisiert, u.a. dafür dass sie sich frei ihren Partner aussucht, und unterworfen von Marduk, in dem sich alle Eigenschaften des patriarchalen, hierarchisierenden Königs vereinen, der erobert/zerstört, ordnet, zensiert, richtet, Andere als Diener beherrscht. Marduk setzt sich dann fort im jüdischen Götter-Patriarchen.
- Noch verbleibende Reste der matrifokalen Ordnung sind zum Beispiel Priesterinnen (von Inanna?), die sich ihre Sexual-Partner frei wählen und matrilineal vererben konnten. Hier finden sich die vermeintlichen "Tempel-Prostituierten" späterer Geschichts-Schreibung, die weibliche Sexualfreiheit nur als Hurerei zu lesen wusste.
- Mit Militarisierung wird Bedeutung der Agrarproduktion zurückgedrängt; man braucht Soldaten statt Farmer. Mythischen Bilder von Reichtum wechseln von Land- und Tier-Produkten zu Edel-Metallen, Geld. Die Macht eines Königs wird nicht mehr beschrieben als die Fruchtbarkeit der Länder unter ihm, sondern als die gebeugten Häupter der ihm Unterworfenen. Veränderte Prioritätensetzung zeigt sich auch praktisch: Land wird zunehmend fehlbewirtschaftet, verödet; das treibt Eroberungs-Interessen in fruchtbarere Gefilde nur voran.
- "Chapter Three: Fierce Love: Resisting the Weapons the Culture Has Devised against the Self":
- Die dem Kriegs-Wesen nachstrukturierte Gesellschaft zwängt uns in Gehorsams- und Bestrafungs-Systeme; kleiner Exkurs zu Foucault: Das Bestrafungs-System trainiert uns in seinen Skalen zur Bewertung unserer selbst, an denen wir uns zur Straf-Vermeidung oder Belohnungs-Erlangung konstant selbst zu messen und hochzuarbeiten lernen. Es gibt Cut-Off-Punkte, unter die wir nicht fallen dürfen, sonst droht völliger Ausstoß; wir lernen, durch Wohl-Verhalten möglichst große Puffer zwischen uns und diesen Cut-Offs zu bilden.
- Solche Macht-Systeme erpressen durchs strategische Rationieren von Wert-Zuweisung, was Ausschluss alternativer Wert-Quellen voraussetzt. Man kann das Rollen-Spiel einer Hierarchie irritieren, indem man Menschen als Eigen-Werte behandelt statt als ihnen zugewiesene Rollen. Wohl dem, der sich seines Werts unabhängig der ihn zwängenden Hierarchie bewusst ist; darum setzen Bestrafungs-Systeme alles daran, das Selbstwert-Gefühl kaputt zu demütigen.
- So wird auch in einem System wie der Armee ein Wert-System wie die persönliche Moral kleingeschlagen durch Dominanz eines neuen Werte-Systems der einen umgebenden, vollständig einbindenden Kameradschaft und Hierarchie.
- An wenigen Orten wird einem so drastisch gesellschaftliche Kontroll-Logik sichtbar gemacht wie im Gefängnis-Erlebnis. Hier kann man lernen, wie Bestrafungs-Systeme die eigene Psychologie zwängen, hier ist nichts geschönt. Es lohnt sich, sehr genau das eigene Erleben hier zu analysieren. Die hiesigen Strukturen lassen sich auf andere gesellschaftliche Räume wie die Schule oder die Firma übertragen:
- Als dein Wert zählt nur dein Status im System. Konstante Drohung der Wert-Minderung durch Status-Minderung. Privilegierende Systeme schreiben hohen initialen Wert zu, können dafür aber mit umso größerem Wert-Verlust drohen, bis zur totalen Wert-Auslöschung durch Rauswurf.
- Du unterliegst ständiger Überwachung und Bewertung. Du verinnerlichst diesen Blick von außen auf dich, verinnerlichst das Überwachungs- und Bewertungs-System.
- Sinnliche Abwechslung wird rationiert. Langweiligkeit der Umgebung dient als Strafe.
- Deine Individualität und persönliche Identität werden eliminiert durch Uniformierung usw.
- Deine Handlungs- und Wahl-Freiheiten werden gering gehalten.
- Die umgebende Welt ist stark reguliert – Regeln definieren alles, was passiert, bestimmen die Wirklichkeit (anstelle von z.B. unregulierten Einfluss-Faktoren, dem Unbekannte, Chaos o.ä.?).
- Emotion und Erotik werden unterdrückt.
- Zeit bzw. Dauer, Länge von Situationen werden als Bestrafung eingesetzt.
- Drohungen mit Gewalt oder Entzug von Ressourcen und Gelegenheiten.
- Unvorhersagbarkeit und Inkonsistenz strafender Regel-Anwendung – um die Verunsicherung der Betroffenen zu steigern, ihnen kein Kontroll-Gefühl durch Regel-Kenntnis zu gewähren.
- Freiheitliche Räume und Relationen, in denen Dauer als Segnung statt Folter empfunden werden, lassen sich durch Invertierung der obigen Aspekte des Gefängnisses konstruieren.
- Unterm Zwang eines solchen Bestrafungs-Systems gibt es verschiedene Verhaltens-Strategien, die das System meist bestätigen und am Laufen halten:
- Man kann sich in nicht nur äußeren, sondern auch innerlichen Gehorsam begeben: die zugewiesenen Bewertungs-Systeme akzeptieren, in der Logik der vorgegebenen Regeln denken lernen, die Folgsamkeit automatisieren, aktiv mitspielen. Hier liegt totale Selbst-Aufgabe. Wer so Gehorsam übt, beschuldigt den MitGefangenen, dessen Ungehorsam zur Kollektiv-Strafe führt, statt die die Kollektiv-Strafe verhängende Autorität. Er nimmt die Realitäts-Definition des Systems an und mindert so seinen Blick für die wahren Verhältnisse.
- Die impotente Rebellion behauptet den Selbst-Wert in systemisch schon vorberechneter Weise, etwa in Form eines spontanen Wut-Ausbruchs gegen einen Wärter, der aufgrund Waffen-Ungleichgewicht die Ordnung nicht im Geringsten bedroht; viel mehr noch sie stärkt, als die folgende Bestrafung ein Exempel statuiert. Eine andere Form ist die Adaption von Bad-Boy-VerhaltensWeisen, die als Widerstand vermarktet werden, aber nur in SelbstZerstörung münden (Zigaretten rauchen). Auch Wut schränkt die AuffassungsGabe ein.
- Der Rückzug in weitestmögliche Passivität und Ignoranz gegenüber dem umgebenden System kann notwendiger psychologischer Selbst-Schutz sein. Als Beispiel werden KonzentrationsLager-Häftlinge geschildert, die die Schock-Starre über ihre irreale neue Alptraum-Umgebung nie verließen, diese Wirklichkeit nicht an sich heranließen, entrückt wie lebende Tote wandelten. Überlebt haben indes nur jene, die ihre Schock-Starre überwanden und die FunktionsWeisen ihrer neuen Umgebung mit größter Aufmerksamkeit studierten.
- Man kann das System aufmerksam studieren und gewitzt zu hintergehen, seine Mechanismen zum eigenen Vorteil zu manipulieren lernen. Die kleinen Freiheits-Nischen, die man damit schafft, gefährden das System aber seltenst, und erfordern außerdem, dass man selbst Gehorsamkeit spielt, also trotzdem zumindest nach Außen sich zu verleugnen übt.
- Ideale Relation zu einem solchen Bestrafungs-System ist die Widerständigkeit als anhaltende Strategie der Subversion seiner Mechanismen. Dies aber erfordert Wachheit und Aufmerksamkeit für diese Mechanismen, und viel Kraft. Ansatz: eine Gegen-Wirklichkeit zu derjenigen wirken lassen, die das Bestrafungs-System zu bauen versucht, z.B. durch Setzung alternativer Wert-Logiken.
- Äußerer Gehorsam, Akte der Rebellion, Rückzug und Manipulation können allesamt taktische Rollen spielen in einer Strategie der Widerständigkeit, selbst wenn sie allgemein das zu subvertierende System eher am Laufen halten. Und sowieso ist Widerständigkeit gegen den massivem Druck wie in einem Gefängnis die schwerste Übung – man darf sich nicht dafür prügeln, wenn sie einem nicht gelingt; Hauptsache, man analysiert, woran das liegt, und gibt sich nicht auf. Pick your battles.
- Diverse Übungen, um über eigene Tendenzen zu Gehorsam, Rebellion, Rückzug, oder Manipulation zu reflektieren: Wann äußerte sich so etwas, wie fühlte sich das, welche Handlungs-Freiheiten schien es damals zu geben, welche gab es rückblickend wohl wirklich, was hätte bei einem anderen Handeln gedroht oder was hätte ich dadurch gewinnen können, welche Informationen sind mir entgangen, was hat mich aus einem Zustand wie z.B. Rückzug herausgerissen …
- "Chapter Four: Unraveling and Reweaving: Pattern and Ritual":
- Muster wie Machtverhältnisse durchziehen unsere Kultur, Architektur, Psychologie. Der christliche Glaube spiegelt sich in der Architektur gotischer Kathedralen wieder. Die Macht-über formt nicht nur die Institutionen um uns, sie setzt sich auch in unserem Innersten fest, als Stimme des Selbst-Hasses dafür, dass wir den äußeren Normen genügen. Bestimmte Denk-Muster werden als Jungsche Archetypen naturalisiert, dabei sind sie auch nur historisch gewachsen (patriarchale Muster sind nicht natürlich, sie sind nur sehr alt).
- Der Selbst-Hass bzw. die Macht-über ist wie ein Dämon, der Besitz von uns ergreift. Wir kommen gar nicht darauf, ihn auszutreiben, so sehr glauben wir ihn natürlich und Teil von uns. Die Macht-über verdeckt, dass sie nur ein Muster unter mehreren möglichen ist.
- Ob jemand eine gute oder schlechte Kindheit hatte, kann sieine Widerstands-Kräfte bzw. die Macht des Selbst-Hasses stärken/schwächen, aber es gibt so viele andere Einfluss-Faktoren um uns rum, dass wir nicht einfach Erziehung / Elternhaus verantwortlich machen können für das, was in uns steckt, es braucht eine ganze Gesellschaft.
- Rituelles Denken macht die Macht der kulturellen, psychologischen usw. Muster explizit. Ein Ritual eröffnet einen Raum, in dem ausdrücklich bestimmte Mustern, Denkfiguren, usw. praktiziert oder abgelehnt werden. Rituale (de-)selektieren Sachverhalte als bedeutsam, und verweben sie: Wer MondPhasen Bedeutung für persönliche Zyklen beimisst, verwebt das eigene Leben mit Himmel/Mond/Natur. (Man kann sich das wohl als Gegengewicht vorstellen zu z.B. persönliche Rhythmen mit dem Firmen-Kalender, Arbeits-Rhythmus zu vermengen?)
- Ein Ritual kann einen Raum aufmachen, in dem andere Regeln/Logiken herrschen, symbolische Sicherheit/Freiheit gilt usw. Man muss als Teilnehmer aber psychisch offen sein für eine solche Transformation; ist man es nicht, bleibt sie aus oder geschieht ins Negative. Rituale erhalten Macht durch Regelmäßigkeit / wiederholte Ausführung, aber sie lassen sich nicht in Stein meißeln; man kann sie ändern, kritisieren. Sie niederzuschreiben aber tötet sie.
- "Energie" ist die Vorstellung einer magischen Kraft, die uns und alles durchfließt, die man beschwören und formen und lenken kann in Richtung von Zielen.
- Rituale finden statt in Räumen, die man sich aneignet, vor allem unter Hexen durchs Ziehen eines Kreises, der einen geschützten Raum definiert, aus dem unerwünschte Muster/Einflüsse vertrieben werden unter Geschrei, Gepolter, Getrommel o.ä. Ein Kreis erlaubt non-hierarchische Gruppierung, alle schauen einander an. Man kann auch einen Altar bereit stellen, auf dem Dinge angesammelt werden können, denen Bedeutung zugeschrieben wird.
- Ein Ritual beginnt mit der Reinigung: In dieser Phase wird angestaute Alltags-Grübelei/Sorge abgeschüttelt durch Bad, Feuer, Tanz, Stimm-Übungen o.ä. Dann erfolgt die Erdung: Man wird sich der Energie bewusst und verbindet sich über diese mit der Erde und mit den anderen Teilnehmern.
- Man kann Götter anrufen, oder Himmels-Richtungen, als Energie-Quellen, als Träger von Eigenschaften und Assoziationen auf die man sich gerade konzentrieren möchte.
- Die Gruppe kann Energie sammeln und auf ein Bild bündeln, oder einen Gegenstand. Die Energie wird aufgebaut, schwillt an, zu einem Höhepunkt; danach sollte man sie wieder in die Erde zurückbringen.
- Oder man kann im Geiste an imaginierte bzw. innere Orte reisen.
- Wichtig ist, alles was man rituell begonnen hat muss man rituell auch wieder beenden: Der geweihte Kreis muss wieder geöffnet werden am Ende, die angerufenen Götter sind zu verabschieden, das Ritual mit dem man die Reise begonnen hat muss wiederholt werden um einen wieder in die Normalität zurückzubringen usw. Am Ende bietet sich ein Gelage an, zur Stärkung, zur Lockerung der Stimmung.
- Starhawk assoziiert die Natur mit den Mysterien und den inneren Kräften, setzt als Kontrast Bildschirme und Videorekorder.
- "Chapter Five: The Sacred Spark: Reclaiming Value from the Judge":
- "Guilt" bzw. Schuld(-Gefühl?) ist Bestrafung durch den internalisierten Richter, den Dämon Selbst-Hass. Sie erklärt dich für untauglich, entmächtigt und paralysiert dich daher, statt Wandlungs-Kräfte zu mobilisieren. Fehlerhaft ist nicht dein Verhalten, fehlerhaft bist du. Der Richter bewertet Verhalten nur ins Negative, seine Sprüche belohnen kein Wohl-Verhalten, sondern teilen nur Strafen aus. Dominanz durch Richterei setzt Aufhebung von Eigen-Werten voraus, dein Wert ist nur noch, was dir von oben zugesprochen wird.
- (Internalisierte) Überwachung setzt uns nicht nur ständiger Verunsicherung aus, sie reduziert uns auch auf das, was sie misst. Unser Wert bemisst sich an den gemessenen Faktoren (wie z.B. KörperGewicht, GesetzesTreue, ArbeitsPerformance?), unsere darunter nicht erfassten EigenWerte werden ignoriert, und fallen damit auch aus unserer von der internalisierten Überwachung dominierten SelbstWahrnehmung heraus.
- Unsere EigenWerte drücken sich z.B. in unseren Veranlagungen zu Genuss, Erotik, Emotionalität aus, aber auch im künstlerischen Ausdruck. Macht-über-Systeme setzen auf konstante Zügelung dieser Sachen, gewähren sie nur sehr beschränkt und schuldgefühlbehaftet. Wut z.B. ist FreiheitsDruck, wird gerade Frauen als selbstdiskreditierend angekreidet. Künstlerischer Ausdruck wird durch Genie-Kult und Kommodifizierung stark einer Bewertungs-Hierarchie eingepasst, sodass der Laie sein Werk als wertlos zu sehen lernt.
- EigenWert lässt sich auch würdigen, fördern, gerade rituell. Man kann eine Kultur des gegenseitigen Erzählens und Erfragens persönlicher unbewerteter Lebens-Geschichten etablieren, denn Geschichten sprengen Bewertungs-Kategorien, und Leben in Story zu verwandeln kommt einer Heiligung, einer Bedeutungs- und Wert-Zuweiseung gleich. Man kann im Raum des Rituals auf bürgerliche Namen verzichten bzw. sich neue Namen geben, um die Rollen und Raster von Außen abzustreifen. (Diese Regeln gut beherrschend: Anonyme Alkoholiker.)
- Man kann Emotionalitäts-freundliche, -förderliche Räume schaffen, durch Empathie und bedingungslose Akzeptanz (es gibt falsche Annahmen, aber nie falsche Gefühle). Dabei geht es gar nicht so sehr darum, sich in negativen Emotionen zu suhlen, als darum, sie zu transformieren in Katharsis und Erneuerung. Rituell Wut lenken, daraus Kraft bauen, usw.
- Ritualität des Geschichten/Mythen-Spinnens/Erzählens: Man erzählt in der zweiten Person, man kann theatralisch nachstellen was einem erzählt wird, was man hört, man kann Masken auf- und absetzen, musikalisch/rhythmisch durch Gesang und Trommelei begleiten. Man kann persönliches Leben mit Mythen und Göttern verknüpfen und aus diesen Kraft saugen und Kontinuität des eigenen Struggle herstellen; die Alten nach ihren Geschichten (nicht: ihren Ratschlägen) fragen, so das Gegenwärtige als Teil einer größeren Story lesen lernen.
- EigenWert-Würdigung auch durch Caring-Rituale, z.B. in Form von Gaben/Geschenken (eher symbolischen statt materialwerten), von Ressourcen-Teilung, von Worten der Anteilnahme. Wichtig, es ist non-graduiert, man wird nicht für WohlVerhalten bzw. Anpassung bzw. Erfolg mehr oder weniger gewürdigt, alle zählen gleich und durch sich selbst. (Auch dies lernten die Anonymen Alkoholiker. Erst akzeptierten sie nur respektable Männer, dann öffneten sie sich mehr und mehr, lernten Kontraproduktivität von bewertender Selektion.)
- Ethik wird durchgesetzt nicht durch Bewertung der Person, sondern durch Erkenntnis, dass der EigenWert verknüpft ist mit dem Rest der Welt, dass meine Kraft mit den Menschen um mich wächst und leidet, dass mein Handeln auch das Wohl Anderer verantwortet usw.
- Standards in einer Gruppe setzt man durch nicht durch herabwertendes Beurteilen von jemandem, der sich problematisch verhält, sondern durch Benennen der Probleme, die man mit einem Verhalten hat; man erkennt dem FehlVerhaltenden Agency zu, vermittelt grade das Gefühl, dass er durch seine freie Wahl Dinge zum Besseren für sich und Andere wenden kann. Man kann das Bedürfnis der Menschen wachkitzeln, positiven Einfluss zu haben, den Trieb, Probleme zu lösen.
- Beurteiler, Bewerter kann man trollen, wenn ihre Beschwerden der Intention entspringen, eine Wert-Hierarchie zwischen sich und dem Beurteilten aufzumachen: Man fragt sie "was willst du, was kann ich tun um die Situation zu verbessern?", und oft werden sie dann kleinlaut, denn es geht um Wert-Zuweisung nicht um Verbesserungs-Wünsche.
- Wer den Richter internalisiert hat, in dem triggern schon hilfreich gemeinte Hinweise und Fakten-Benennungen Abwehr-Reflexe, denn er ist es so gewohnt, dass Kritik einher geht mit Herabwertung oder Absprechung von Wert, mit Unterordnungs-Erwartung, mit Agency-Entzug, dass er schon zum Selbst-Schutz jede Kritik abzublocken gelernt hat.
- "Chapter Six: Risking the Boundaries: Dethroning the Conqueror":
- Die Macht-Über-Instanz des Königs bzw. Eroberers rechtfertigt sich als Verteidiger gegenüber Gefahren, vor allem: Feinden. Tatsächlich gibt es ja oft Gefahren, vor denen man Schutz braucht; der König aber strukturiert die Welt so, dass das ihm Nahe und Ähnliche Verteidiger ist und das ihm Fremde und Ferne der Feind, und verzerrt damit Bedrohungs-Einschätzungen. Für seine Manipulationen ist man gerade anfällig, wenn man sich schwach fühlt.
- Die Erklärung und Dämonisierung von Feinden ist wichtig für die kriegerische Psychologie, um zum Beispiel Mord in soldatische Ehre als Vernichtung des Schlechten umzudefinieren.
- Der Verteidiger wird auch internalisiert, und wir lernen, durch ihn Teile von uns selbst als Feind anzusehen – vor allem jene Eigenschaften, die der Macht-über bedrohlich gelten, oder von ihr unterworfen werden, denn der Eroberer verachtet das Unterworfene. Das führt zum Paradox, dass wir in uns einen Kern wissen, den wir zugleich hassen und zu schützen versuchen, als von außen bedroht ansehen. Ritual-Übungen, Verteidiger und das von ihm dämonisierte Innere zu verkörpern, theatralisch ins Spiel zu bringen.
- Solidarität heißt: Risiken teilen, Bedrohungen gemeinsam begegnen und verarbeiten. Sie ist eine der höchsten Formen der gegenseitigen Anerkennung von Wert, und gerade um nicht den Richter zu reproduzieren, sollte man aufpassen, an welche Konditionale man sie knüpft. Solidarität hat nichts mit Nettigkeit zu tun; wird sie entzogen, weil jemand nervt, signalisiert das der Gruppe: Passt auf, dass ihr nicht nervt, sonst verliert ihr Solidarität; so schafft man Gruppen, in denen sich niemand traut, offen Risken zu besprechen.
- Risiko ist unvermeidbar in jeder Freiheits-Bewegung (und alles außer Freiheits-Bewegung ist eh Suizid), denn die Macht-über lässt sich nicht unbeantwortet herausfordern. Gefahr aber schafft auch neue Dynamiken, kehrt unsere Menschlichkeiten (Verletzlichkeit, Sterblichkeit) hervor. Auch die Erfahrung von Verletzung ist eine Stärke: Ein Heiler muss mit zu Heilenden auf Augenhöhe handeln können, und es schafft eine Solidarität zwischen Heiler und Zu-Heilendem als gemeinsam gegen die selben Kräfte kämpfend.
- Das Bonding durch Gruppen-Solidarität ist wichtig, aber nicht per se befreiend. Zu leicht kann man in Freund-Feind-Dynamiken abrutschen, Verteidiger-like Gegner-Gruppen definieren und so die Anderen in Schubladen halten, statt sie durch ausgestreckte Hand und Bündnis-Suche herauszufordern, sich zu ändern.
- Grenzen schaffen geschützte Räume, und damit Freiräume. Sie sind wichtig für den Einzelnen (eng verwandter Begriff: Privatsphäre) wie für Gruppen. Wer ein Kind hat, der schenke ihm einen Kasten und sage: Dieser Kasten ist der deine, ich werde nie ohne deine Erlaubnis hineinschauen. In Gruppen können sie verschiedener Form sein, z.B. personell (wer gehört dazu, wer nicht), regelbasiert (was geht, was nicht). In Gruppen schaffen Grenzen gegenseitiges Vertrauen.
- Starhawks Gesetze Kleiner Gruppen: 1. In einer kleinen Gruppe, wo Menschen miteinander sexen, wird es Probleme geben. 2. In einer kleinen Gruppe werden Menschen früher oder später sexen. 3. Kleine Gruppen zerbrechen (daher?). Späteres optimistisches Addendum: 4. Überlebt eine Gruppe eine Sexer-Trennung, sind künftige Liebes-Konflikte weniger bedrohlich. Überlebte Affären steigern Sicherheits-Gefühle und Vertrauens-Bande in der Gruppe.
- Explizite Gruppen-Grenzen können wichtig sein auch für Inklusivität, denn ohne expliziten Einschluss-/Ausschluss-Mechanismus werden implizite angenommen, und eine sich offen glaubende Gruppe kann für AußenStehende mangels Eintritts-Prozess unbetretbar erscheinen.
- Für engeres Vertrauen aller Mitglieder untereinander kann Geschlossenheit einer Gruppe sehr wichtig sein, sodass z.B. ein einziges Mitglieds-Veto einen Neu-Aufnahme verhindern sollte. Das ist kein Elitarismus: Man kann es kommunizieren als Notwendigkeit fürs interne Funktionieren der Gruppe, ohne das AußenStehende abzuwerten; stattdessen kann man die Bildung neuer Gruppen ermutigen, durch Workshops die Bildung lehren. Verschiedene einander überschneidende Gruppen können verschiedene Funktionen und Vertrauens-Basen haben.
- Fürs Freiraum-schaffende Vertrauen in die Gruppen-Solidarität ist auch Vertrauen in die Kontinuität der Gruppe wichtig. Gruppen können zerbrechen an Austritten, vor allem wenn mehrere gleichzeitig geschehen. Ein Austritt kann empfunden werden als Verletzung, als Herabwertung der Gruppe. Man kann gegensteuern durch explizite Austritts- und Heilungs-Rituale. Besser explizite Austritte als langsames Dahin-Schwinden von Bindung und Vertrauen.
- Macht-Verhältnisse sind innerhalb von Gruppen schwer zu vermeiden. Das Maß, zu dem sie Menschen verunsichern, hängt aber an verschiedenen Faktoren. Klarheit von Machtverhältnissen und Erwartungen, Verlässlichkeit von Regeln steigert in Hierarchien Sicherheit. Nützlich sind Regeln, wenn sie hierarchische Macht einschränken. Unsicherheit schafft die Ausweglosigkeit aus einem Macht-Verhältnis, wenn ich ihm ohne Wahl unterworfen bin. Gruppen-Übungen, sich zu verständigen, wer wem welche Macht zuschreibt, welche Regeln usw.
- Angegriffen zu werden verunsichert, triggert den inneren Verteidiger, der wiederum als Antwort nur anzugreifen weiß; Spirale der Verunsicherung trifft die Gruppe. Oft sind wir blind, was an uns wie bedrohlich für Andere wirkt, bzw. welche Wunden triggert. Angriffe resultieren oft aus MachtlosigkeitsGefühlen, die man nur bestätigt, wenn man Leuten ihre KurzSchlussReaktionen gutheißt ("du kannst halt nicht anders"). Der Verteidigungs-Reflex erschwert Abwägungen, welche Gefahr wie dringlich ist.
- Einige Regel-Ideen, um den Verteidiger schlummern zu lassen in einer Gruppe: Runden, in denen man reden kann, ohne unterbrochen oder kritisiert zu werden. Gleichzeitig sich verständigen, in welcher Form bzw. Situation man Kritik anbringen kann, denn Raum fürs Äußern von Kritik ist ebenso wichtig. Man kann sich einigen, dass in der Runde Geäußertes nicht ohne Genehmigung die Runde verlässt.
- Der König/Verteidiger/Eroberer verleiht und verspricht Ruhm ("glory") als Ausgleich für die Entwürdigung, die er durch Negation des EigenWertes setzt. Ruhm erlangt man durch Konflikt, Feindschaft, kriegerische Exzellenz, die einen von Anderen und Gewöhnlichen herabsetzt, von den Toten oder den nur mittelmäßig Erfolgreichen. Ruhm isoliert von Anderen und vom geerdeten natürlichen EigenWert, schließt offene und augenhöhige Beziehungen aus, erhebt einen selbst zum König in all seiner Macht-über-Abhängigkeit.
- Ebenso falsch wie der Ruhm ist seine Invertierung im Opfer-König ("King Victim"), das Märtyrertum: Man setzt sich von den Anderen ab durch die Besonderheit der eigenen Demütigung oder Niederlage, definiert sich über die eigene Ohnmacht, ergibt sich ganz dem Dämon Selbst-Hass und seinen Welt-Erklärungen. Auch hier verbaut man sich die Beziehung zu Anderen und zum EigenWert.
- Heilsam umgehen kann man als Gruppe mit Ruhm und Märtyrertum Einzelner nur, indem man diese Wert-Konstrukte auflöst/abbaut und dem Betroffenen Strukturen der EigenWert-Zuweisung bietet. So verfahren zum Beispiel die Anonymen Alkoholiker, deshalb verlangen sie eine initiale Anerkennung der eigenen Machtlosigkeit, dann Anerkennung einer separaten Macht-Logik (Gott?), und Übernahme von Verantwortung, und schaffen durch Gruppen und "Sponsoren" Räume in denen neuer EigenWert ermittelt, zugewiesen, aufgebaut werden kann.
- Die Zuweisung/Annahme von Verantwortung gewährt Macht, Agency: Ich kann durch mein eigenes Handeln angerichteten Schaden reparieren, oder zumindest künftig verhindern.
- Märtyrer zehren Gruppen auf durch ihre Aufmerksamkeits-Ansprüche, man muss ihnen Grenzen setzen ("non-participation"), denn sie müssen spüren, dass ihr Opfer-Königtum ihnen Beziehungen nicht nur zu sich selbst, sondern auch Anderen verbaut. Wenn sie wütend abhauen, sollte man sie ziehen lassen, vielleicht kommen sie verändert wieder. Auch lasse man sich nicht instrumentalisieren als Konflikt-Löser für Andere und damit deren Machtlosigkeit bestätigen. Wenn sie sich nicht trauen, x anzuranzen, biete man Begleitung an.
- Schmollende Märtyrer kann man in ihren Annahmen herausfordern, aber nicht durchs Aussprechen einer Diagnose, denn das wäre der Spruch des Richters, sondern durchs AusFragen, womit genau sie ein Problem haben; man tue dies auf wertschätzende Weise, also signalisiere, dass man sich für ihr Wohl interessiere; aber man biete ihnen keine Rettung ohne ihren eigenen Einsatz an. Zum Beispiel frage man auf Agency-zuweisende Weise: "Wie kann ich helfen?" Dann müssen sie selber über eine Lösung nachdenken, Verantwortung übernehmen.
- Starhawk widerspricht der These, es gebe keine Problem-Individuen, nur problematische Gruppen-Dynamiken; aber es gebe sehr wohl Gruppen-Dynamiken, die Opfer-Königtum herbei provozieren.
- "Reframing": Der internalisierte Selbst-Hass setzt unser Erleben in Erzählungen der Macht-Über, des Siegs und der Niederlage, usw. Es liegt an uns, alternative Erzählungen zu spinnen, z.B. einen Rückschlag als Lern-Erfahrung zu setzen, einen Erfolg als Fortschritt statt Triumph, usw.
- Gute Fragen: "Was fühlst du / fühlen wir?", "Was bedeutet [Begriff] für dich?", "Was brauchst du? Was willst du?", "Was können wir tun? Wie können wir dir helfen?"
- "Chapter Seven: Finding a Voice: Breaking the Censor's Silence":
- Der Zensor isoliert und entkräftet uns, indem er unseren Selbstausdruck unterdrückt/vorschreibt und Austausch über unsere Potentiale und Sorgen unterbindet. Auch der Zensor ist Kriegs-Logik – Armeen funktionieren durch Unterdrückung von Widerspruch und Einengung der Entscheidungs-Diskussionen.
- Wenn wir unsere Erfahrungen nicht teilen, gelangen wir zur Fehl-Annahme, unsere Probleme seien individuell. Unterdrückung nicht zu diskutieren stabilisiert sie. Beispiel: Sigmund Freud traute sich nicht, seinen Patienten KindesMissbrauch zu diagnostizieren, und erfand deshalb komplexe kindliche Inzest-Triebe, um Berichte davon zu rationalisieren. Feministische "Consciousness Raising"-Gruppen wurden genau dafür geschaffen, vom Patriarchat unterdrückten zwischenweiblichen Austausch über Tabu-Themen zu ermöglichen.
- Der Zensor isoliert durch Shaming: Wenn du etwas äußerst, was dir Sorge bereitet, wirst du dafür verantwortlich gemacht. Der verinnerlichte Selbst-Hass lehrt dich, Dinge als dein eigenes individuelles Problem zu sehen, an dem du schuld bist, und trägst du es nach außen, behaupten Schämungs-Strukturen dasselbe als Spiegel-Bild, um dich zu nötigen, das Tabu zu wahren und das Leid wieder in dich reinzudrücken.
- Wenn du dich zensierst, um akzeptiert zu werden, erhältst du keine Akzeptanz deiner vollen Person, erhältst Schutz nur durch Verstellung und SelbstVerleugnung.
- Plädoyer für den Konsens, er gewährt allen Mitgliedern einer Gruppe Wert und Macht (ein einziger Widerspruch kann blockieren), dient als kollektiver schöpferischer Prozess hin zu Verbesserung von Vorschlägen und Informierung durch Stimme Aller; lohnt, wenn es geteilte Einstellungen, Interessen usw. gibt. Nicht lohnen tut er, wo es um Nebensächlichkeiten geht, Eile geboten ist, Informationen zur EntscheidungsFindung fehlen, nur die Wahl eines kleinsten Übels unter mehreren möglich ist, es keine gemeinsame Basis gibt.
- Um jeden Einzelnen zu würdigen und zu empowern, bieten sich moderierte DiskussionsStrukturen an, die die Stillen aus der Reserve locken – z.B. SprechRunden, wo jede/r dran kommt und dann nur diese Person sprechen darf für x Minuten (und vielleicht wenn sie nichts sagen will wird x Minuten geschwiegen); Fragen, Reaktionen kann man für einen späteren Abschnitt aufheben.
- Das Gegenteil zur strukturierten Rede-Runde sind Brainstormings, wo alle wild reinrufen können, was ihnen einfällt zu einer Sache. Daraus können z.B. Listen entstehen, was später ausführlich zu diskutieren ist. Aber aufpassen, das kann schnell zerfasern, am Besten kurz halten, z.B. fünf Minuten.
- Spontaneität energetisiert Situationen und Rituale, der Zensor unterdrückt sie. Übung: Beobachte den Tag über, wo du spontane Impulse unterdrückst (versuche vielleicht bei den ungefährlichsten dieser Umstände, ihnen nachzugeben?). Der Zensor weist uns nicht immer nur ins Schweigen, manchmal nötigt er uns auch gegen unseren Impuls zu Rede/Aktivität – z.B. in einen Chor einzustimmen, um eine vermeintliche Gruppen-Harmonie nicht zu stören. Auch Stille kann je Situation eine zensierte, tabuisierte Spontaneität sein.
- Langeweile in Gruppen-Situationen ist starkes Signal für Wirkung des Zensors – dass Dinge unausgesprochen sind, Spontaneität einkerkert ist. Erspüre/prüfe Energie-Level der Gruppe, schwelendes Unausgesprochenes, Relevanz oder Aktionierbarkeit aktueller Streit-Themen; rege Pausen oder Spiel, Spaß, körperliche Aktivität oder gar Naps an (oder in erhitzten Situationen: Meditation). Lockere Situation auf, indem du Verbotenes/Tabuisiertes äußerst, (non-personalisiert) Wut, oder gar ("politisch korrekt") Sexualität.
- Viel-Redner weist man auch zu ihrem eigenen Wohl in die Schranken, denn so vermeidet man, dass sich im Rest des Plenums gegen sie AugenRollen/Aggression anstaut.
- Auch emanzipativ angelegte Rede-Techniken können in das Inventar des Zensors übergehen, wo sie rigide (Selbst-)Kontrolle der Rede lehren, bestimmten Ausdruck tabuisieren, mangelnde Befolgung eines Ausdrucks-Regelwerks beschämen. In emanzipativen Strukturen müssen wir lernen, Offenheit an sich nicht zu bestrafen. Wichtig aber ist es, dass man lernt, Verantwortung für die eigene Rede zu übernehmen, und dass sie z.B. Menschen verletzen kann. (Bleibt vage, wie hier Anregung zur Verantwortungs-Übernehme von Kontrolle trennen.)
- "Wahrheit oder Pflicht" ist eine wunderbares Spiel gegen den Zensor und z.B. prima in Gruppen-Settings autoritär verordneter Langeweile wie gemeinsamer Aufenthalt in einer Gefängnis-Zelle. Man soll ruhig die peinlichsten Dinge erfragen, z.B. sexuelles Begehren nach anderen Gruppen-Mitgliedern, "your most politically incorrect fantasy"; statt individualisiert, kann man auch eine Frage an die Gesamt-Gruppe stellen die dann reihum beantwortet wird, auch schwermütigeren Kram z.B. Kindheits-Traumata.
- "Chapter Eight: Creating Sustainable Culture: Serving No Masters":
- Der hierarchische Blick des Herren der Diener sieht nach unten Menschen nur in ihrer Qualität, Dienstleistungen ihm gegenüber zu erfüllen. Diesen wird ihr Eigenwert abgesprochen, sie werden in Zusammenhänge gezwungen wo alle Anerkennung und Fürsorge sich einzig bestimmt durch die Dienste, die sie in Unterwerfungs-Zusammenhängen ausführen. Soweit sie diese Rolle gut ausführen, erkennt die Hierarchie ihnen ebenfalls Diener zu, zu denen sie dann selber als eigenwertblinder Herr agieren.
- Die Erpressung durch die Hierarchie steht und fällt damit, dass du deinen Wert und die Erfüllung deiner Bedürfnisse nur noch durch Erfüllung deiner Rolle in ihr befriedigt bekommst – hierfür wird Defizit produziert (Würde und Wert aus dir selbst heraus werden zerstört; lerne, dich zu bewerten entlang der Erwartungen von außen) und Zugang zu alternativen Quellen abgeschnitten (wer essen will, kann nicht mehr einfach raus und jagen oder selber anbauen und pflücken, sondern muss servil Geld verdienen, um Essen zu kaufen).
- Die Geld-Ökonomie verarmt unsere Verhältnisse zu unseren Fähigkeiten und zu unserer Umwelt: Statt direkter Arbeit an meinen Bedürfnissen tue ich Dienste für Andere ohne notwendigen Bezug zu meinem Wohl, um zu einer reinen Zahl abstrahierte Wertzuweisung von außen zu erlangen, die ich dann eintauschen kann gegen Befriedigungen meiner Bedürfnisse durch Fertigwaren/Dienste, deren Entwicklung und Verzweigung in die Umwelt, deren Herstellbarkeit auch durch mir eigene Fähigkeiten völlig von mir abstrahiert sind.
- Das Patriarchat ist die Übersetzung dieser Herren-Diener-Logik in Geschlechterverhältnisse. Die Sexualität ist eigentlich ein Mysterium großer Macht-von-Innen, wird aber in hierarchische Funktionalisierung gezwungen. Dem innerlich entwerteten Mann wird die Frau als emotionaler Ausgleich versprochen; er lernt, in ihr eine Dienstleistungs-Quelle zu sehen statt ein eigenwertiges Wesen mit eigener Leidenschaft; der Vergewaltiger hört tatsächlich kein "nein", denn er erkennt die Frau gar nicht als Mensch mit eigenem Willen.
- Kinder werden in der Hierarchie für die eigene äußere Wertbemessung instrumentalisiert: Schau her, wie gut mein Kind gehorcht, sich an gesellschaftlichen Erwartungen beweist; wird doch später auch in Schule und Unternehmen das hierarchisierte Verhalten beherrschen müssen. Besser wäre: Das, was dem Kind aus sich selbst heraus liegt, erkennen und fördern.
- Für Andere Nützliches tun kann stark befriedigen und erfüllen, aber der Diener erfährt davon wenig – er handelt nicht aus freier Eigenheit, sondern aus der Not, im Tausch für sein Handeln seinen Wert von außen bestätigt zu bekommen; seine Servilität ist Selbstverleugnung, manchmal gleichzeitig auch Macht-Fantasie, im Sinne "indem ich jetzt dir diene, zwinge ich dich zu einer Gegenleistung"; die Dialektik aus Servilität und Nötigung bzw. Macht-Gefühl erklärt Ko-Abhängigkeiten und "ich hab soviel gemacht"-AnspruchsDenken.
- In einer Geschenk-Ökonomie wird ebenfalls erwartet, dass Beschenkte weiter schenken – aber eher im Sinne des Erhalts der Schenk-Aktivität, nicht im Sinne eines Tauschs, einer unmittelbaren Entlohnung des Schenkenden. Geschenke hortet man nicht, Geschenke bleiben (oder eher: Schenkerei bleibt) in Bewegung. Man soll ein Geschenk aber auch erstmal seine positive Wirkung entfalten lassen, ehe man selber weiter schenkt.
- Viel über "Heilungs"-Rituale.
- Man soll die eigenen Bedürfnisse aufschlüsseln/ergründen und sich bewusst machen, wo man ihnen direkt folgt und wo nicht; sie direkt äußern; die wahren Bedürfnisse nicht verwechseln mit sozial eingetrichterten bzw. Ausweich-Bedürfnissen (nehme mal an: eigentlich willst du gar keinen SUV, du hast nur keinen Bock mehr, jeden morgen dich in eine U-Bahn mit den selben schlechtgelaunten Menschen zu quetschen?). Schau dich um nicht unbedingt nach Dingen, die deinen Komfort steigern, sondern die deine Selbständigkeit fördern.
- Kriegs-Ökonomie opfert bereitwillig Ressourcen für KurzZeit-Gewinne, sie zerstört damit unsere Umwelt und schafft eine lebensfeindliche Umgebung, was uns als ihren Bewohnern Wert abspricht. Eine Ökonomie der Nachhaltigkeit dagegen stellt jeder Energie-Entnahme eine Energie-Eingabe entgegen, und schont oder stärkt die Langfristigkeit von Ressourcen. Nicht nachhaltig sind Arbeiten, die die Umwelt beschädigen oder Hierarchie zwischen Menschen stärken; solche Arbeiten können auch uns nicht ermätigen.
- Auch der Austausch über Geld ist Ziel-Scheibe des Zensors. Es ist in aktivistischer Ökonomie schwierig, die nachhaltige Balance zu finden zwischen den Unnachaltigkeits-Polen Selbstausbeutung (weil wir keine Armen ausschließen wollen von unseren Dienstleistungen, bieten wir sie möglichst breit und günstig an) und extraktiver Gier (wir optimieren auf den größtmöglichen Profit, soziale Kosten egal). Einige Strategien:
- "Robin Hood"-Ansatz: Lass Wohlhabende mehr zahlen und damit günstigere Preise für Arme subventionieren. Z.B. kann man Dienstleistungen anbieten gegen Gaben nach Selbst-Einschätzung, oder dieselbe Dienstleistung mal teuer, mal günstig anbieten (vielleicht im Angebot dann auch etwas variiert).
- Skalierung: Erhöht man die Teilnehmer-Zahl für einen Workshop, kann man oft ohne Geld-Verlust den Preis für den einzelnen Teilnehmer senken. Nachteil: Tendenz zu Hierarchisierung; ein Lehrer, viele Zuhörer; Kommunikation auf Augenhöhe wird erschwert.
- Geld mit anderen Dingen verdienen als den aktivistischen Dienstleistungen.
- Spenden/Geschenke/Sponsoring raisen: Man muss aufpassen, sich damit nicht Abhängigkeiten/Erpressbarkeiten einzuhandeln. Insbesondre sollte man damit keinen GrundBetrieb finanzieren, laufende fundamentale Versorgungs-Ausgaben; eher: temporäre Sachen, einmalige Anschübe.
- Aktivistische Gruppen-Arbeit nach Prinzipien der Perma-Kultur strukturieren:
- Nicht allein die Bausteine zählen, sondern ihre Arrangements. Dinge so anordnen, dass ihre Wirkung minimalen Kraft-Aufwand kostet. Z.B. das Holz zwischen AußenKlo und HausTür ablegen, sodass man bei jedem KloBesuch ohne nennenswerten Aufwand ein bisschen Holz reintragen kann. Nicht: das AußenKlo mit dem HolzHaufen versperren. Eine Gruppe muss schauen, welche emanzipatorischen Prinzipien und Methoden zu ihrem Ziel passen, diesem zuarbeiten, und welche eher Kräfte von diesem absaugen.
- Einzelne Strukturen sollten mehrere Funktionen erfüllen. Man kann Meetings z.B. gleichzeitig zur Diskussion wichtiger Fragen nutzen und es sich dabei gegenseitig kulinarisch gut gehen lassen, stricken, Bonding-Rituale ausführen usw.
- Für einzelne Funktionen sollte es mehrere Strukturen geben, so dass beim Scheitern der einen die andere den Zweck besorgen kann.
- Nachwachsende Ressourcen müssen gepflegt werden. Erd-Rohstoffe verbrennen und Menschen verbrennen, beides ist unnachhaltig. Eine Gruppe muss immer wieder prüfen, ob sie ihre Mitglieder in Burn-Out-Gefahr bringt, und bei Energie-Engpässen inne halten: Vielleicht sollten wir dieses Projekt erstmal einfrieren, vielleicht sollten wir jene Vorgehensweise überdenken, uns gesund-schrumpfen oder nach-rekrutieren, uns mehr gönnen, mehr self-care wagen.
- Verschiedenheit oft nützlich, schafft z.B. durch Vielfalt von Reaktions-Formen Resilienz gegen Angriffe, erweitert analytische Perspektiven. Aber Diversity ist nicht gleich Diversity: Es gibt z.B. eher kooperative und eher konkurrierende Formen. Innerer Zwist kann lähmen. Widersprüche werden umso destruktiver, je unklarer das gemeinsame Ziel. Deshalb: eindeutiges Ziel klären, dann diesem entlang Allianzen knüpfen mit denen, die es als Interesse teilen (statt nach vagem Empfinden, wer besser zu einem passt).
- Gruppen haben Lebenszyklen, derer man sich bewusst werden sollte; z.B., dass zu bestimmten Phasen bestimmte Veränderungen nötig sind. Neue Gruppen sind offener für Einsteiger, und jeder kann sich in jeder Rolle probieren. Später ist es für Neulinge schwer, Einspielung und Erfahrenheit der Älteren einzuholen. Hier bietet es sich an, für Neulinge Trainings anzubieten, und Anfänger-Spielräume mit geringerer Verantwortung.
- Spaltungen von Gruppen und Gruppen-Ausstiege lassen sich auch als Chance beschreiben: Die ursprüngliche Konfiguration der Gruppe erschließt neue Themen, Ziele, entsendet Vertreter nach anderswo. Die Auflösung der ursprünglichen Form lässt sich auch denken als Erweiterung eines Einflusses.
- "Chapter Nine: Evoking Mystery: Restoring Organic Order":
- Das Mysterium unserer Eigenwerte ist machtvoll und nicht ins Sichere zähmbar. Unser Körper ist voller Eigenwilligkeiten, Fühls, Bedürfnisse. Der Sortierer ("Orderer") dagegen hält uns an, das Mysterium zu unterdrücken, unseren Körper und Sein zurechtzuschneiden auf Werte der uns äußeren WertSysteme, den Rest auszublenden.
- Der Sortierer ist ebenfalls ein Geschöpf der KriegsFührung. Seine Bedingung ist das KriegsChaos, das er zu bändigen verspricht durch gewaltvolles Ordnen; dessen einem Krieg als Herausforderung vielleicht noch angemessene Verfahren werden aber zum allgemeinen GesellschaftsPrinzip. Das Unternehmen führt wirtschaftliche Aktivität wie ein Militär-Regiment. Der Bürger übt, sich zu kontrollieren, als sei er eine BefehlsZentrale über das Heer seines Geistes und Körpers, als seien das zu gewinnende Schlachten.
- Der Sortierer verspricht eine absolute Kontrolle über das Chaos und die Natur, die er nicht liefern kann. Der riskante Glaube an ihn zeigt sich etwa in der Annahme der Sicherheit von Atomkraftwerken. Die Ordnung, die der Sortierer aufzuzwängen sucht, widerspricht den Ordnungen, die sich von selbst in der Natur entfalten.
- Rituale, um sich mit der natürlichen Ordnung und dem Mysterium des eigenen Körpers wieder zu verbünden, nach der Entfremdung durch den Sortierer: das selbstliebende Bad mit angenehmen Düften, wo man seinen Körper preist. Das Erwählen von (und seien es ZuckerRiegel) NahrungsMitteln als Nährung des Lebens und Genießen derselben in diesem Geiste. Anderes Ritual: Dinge, die man nicht mehr braucht oder die stören, benennen, auch z.B. Innerlichkeiten. Auf einen Zettel schreiben, verbrennen.
- Der Sortierer verspricht uns Kontrolle als Werkzeug, um das Missverhältnis aufzulösen zwischen der von ihm behaupteten und verlangten Ordnung und der Wirklichkeit und Natur. Aber das unvermeidliche Scheitern der einen Kontrolle erzeugt nur neues Chaos, das wir mit anderer Kontrolle zu lösen befohlen werden. Drogen sind oft ein Werkzeug der Kontrolle (der eigenen Emotionen usw.), und unsere folgenden Abhängigkeiten glauben wir dann mit anderen Drogen oder Kontroll-Verfahren beherrschen zu können usw.
- Die Anonymen Alkoholiker dagegen lehren uns, dass nur die Aufgabe des Glaubens an die Kontrollierbarkeit Heilung verspricht. Man muss den Kreislauf des Kontroll-Zwangs aufgeben, um sich zu befreien, eigene Machtlosigkeit akzeptieren. Bei den Anonymen Alkoholikern wird man gewürdigt für den Wunsch, mit dem trinken aufzuhören, nicht für den Erfolg, fürs Befolgen von Kontroll-Regeln oder dergleichen. Kontroll-Logiken dagegen halten uns permanent unser Scheitern an ihren hohen Ansprüchen als unsere Entwertung vor.
- Kraft, uns zu befreien können, wir aus dem Mysterium ziehen, das gerade das ist, was sich unserer Kontrolle entzieht, eigener Ordnung folgt. Wir können lernen, uns ihm zu öffnen, durch eine Bereitschaft zur Wildheit, zum Kontakt mit Leidenschaft und Schmerz und Genuss und der Natur. Die Ordnung des Mysteriums zeigt sich im engen Kontakt mit dem Konkreten, nicht durch unsere leaky abstractions. Sie ist auch nicht asozial: es ist eine Wildheit, den gemeinsamen Fluss mit den Anderen zu finden, mit ihnen statt gegen sie.
- (Vielleicht geht es darum: sich an Kräfte hinzugeben, die gut für einen sind?)
- Auch die künstlerische Disziplin ist eine Zähmung der Mysterien durch den Sortierer: Wieviel Kreativität wird unterdrückt durch den Zwang zur Disziplin? Warum gilt künstlerisches Schaffen als notwendig verbunden mit Mühsal und Selbstbezwängung? Woher die Verachtung für Improvisation und Intuition? Das Gegenbeispiel einer Autorin (Alice Walker, The Color Purple schreibend), die einfach die Tage vor sich hin lebt im Abwarten der Entwicklung ihres Textes. Wie der Sortierer das Leid als Bedingung des Künstlers romantisiert.
- Übungen, aus Träumen kreatives Schreiben und Improvsations-Theater herzuleiten.
- Der Sortierer auch gebietet Ernsthaftigkeit, verbietet ein humoriges Verhältnis zu den eigenen Positionen und Lehren. Kraft aber kommt aus der Heiterkeit und der Fähigkeit, sich über sich selbst lustig zu machen.
- "Toward Community: Structure and Leadership in Groups":
- Vier Arten von Gruppen, differenziert nach Zweck:
- Intime Gruppen haben die Gruppenhaftigkeit als Selbstzweck: Menschen wollen sich miteinander verbinden, eine Familie bilden. Voraussetzung ist eine gegenseitige Attraktion, Wunsch nach gegenseitiger Nähe. Solche Gruppen brauchen eine lange Entwicklungszeit.
- Aufgaben-Gruppen nehmen die Gruppenhaftigkeit als Mittel zu einem äußeren Zweck, die gemeinsame Erledigung einer Aufgabe, und bestehen auch nicht über die Erledigung dieser Aufgabe hinaus. Die Mitglieder müssen sich nicht mögen, nur entlang der Erfordernisse des Zwecks einander vertrauen und gegenseitig ihre Fähigkeiten schätzen.
- Unterstützungs-Gruppen dienen der Entwicklung der Gruppen-Mitglieder, der Bewältigung von Traumata und Abhängigkeiten und ähnlicher Probleme. Sie tendieren auch zur intimen Gruppe, leben von großem gegenseitigen Vertrauen und zuweilen Geheimhalterei. Aber in ihnen kann auch eine deutliche Abgrenzung zu intimen Gruppen entstehen, insoweit manche Bewältigung gerade von ihrer Abtrennung vom restlichen Leben der Mitglieder zehrt.
- Lern-Gruppen dienen einem gemeinsamen Lern-Prozess, zuweilen angeleitet von einem oder mehreren Lehrern. Ihre Lebensdauer ist beschränkt, wobei ihre Mitglieder aus ihrem Erlernten heraus vielleicht andere Gruppen bilden mögen. Gibt es eine Hierarchie zwischen Lehrenden und Lernenden, so sollte diese mit der Zeit schwinden.
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